Die Teams aus dem Einkauf, der Logistik und den Finanzen müssen Transaktionskosten minimieren, Reaktionszeiten reduzieren und die Erfassung und Verwaltung von eingehenden Dokumenten vereinfachen.
Der Einkauf glänzt längst nicht mehr lediglich durch Einsparungen. Die Mitgestaltung des Wachstums von Unternehmen durch die Digitalisierung von Einkaufs- und zugehörigen Logistik- und Finanzprozessen steht im Fokus einer modernen Beschaffungsprozessstrategie.
Das Voranbringen der Digitalisierung von purchase-to-pay-Prozessen liegt also in erster Linie im Interesse desjenigen Unternehmens, welches in der Rolle als „Kunde“ fungiert. So wird es zum Naturgesetz, dass dieses Unternehmen auch den proaktiven Part bei der Umsetzung übernehmen muss.
Einkauf, Logistik, Finanzen und IT setzen sich an einen Tisch. Hier wird besprochen, warum eine EDI Lieferantenanbindung stattfinden soll, welche Unternehmensinteressen verfolgt werden und welche Zeithorizonte die Planung der technischen Anbindungen bestimmen sollen.
Essenziell ist, dass die Beschaffungsprozesse an sich in den beteiligten Bereichen jeweils klar definiert, sinnvoll, strukturiert und transparent dargestellt sind. Ein schlechter Offline-Prozess wird niemals ein guter digitaler Prozess.
Alle Lieferanten werden gelistet, nach ihrer Größe klassifiziert und um die kaufmännischen Ansprechpartner ergänzt.
Es müssen Fragen beantwortet werden: Sind Teile des Prozesses bereits digitalisiert? Welches ERP-System / welches EDI-System ist im Einsatz? Welcher Mitarbeiter übernimmt welche Freigaben? Wie viele Rechnungen kommen täglich im Unternehmen an?
Zusammenfassung
Typische Schnittstellen / Interfaces bei der Lieferantenanbindung / bei purchase-to-pay Prozessen sind:
Sobald die Semantik festgelegt ist, wird für jede Schnittstelle eine Interface Syntax definiert.
Typische EDI Syntaxe für Interfaces sind:
Entscheidet man sich für das Format EDIFACT, werden in der Regel die folgenden Nachrichtenarten definiert:
Auch die EDI Kommunikationswege, die für den Datenaustausch unterstützt werden können und sollen, müssen definiert werden. Hier ist darauf zu achten, dass diese modernen Sicherheitsanforderungen genügen. Das bedeutet: möglichst verschlüsselte Kommunikationskanäle (SSL) und auch die Daten selbst sollten verschlüsselt übertragen werden. Dies ist z.B. bei Nutzung des Übertragungsprotokolls EDIINT AS2 umfänglich gegeben. Bei Standard-EDI Kommunikationsverfahren wird in der Regel eines der nachfolgenden Protokolle verwendet. Auf X.400 sollte möglichst verzichtet werden, da hierüber unnötige VAN (value added network) Kosten entstehen:
Sind all diese technischen Grundlagen definiert, werden sie in sogenannten „Message Implementation Guidelines (kurz: MIGs) dokumentiert. Damit hat das Unternehmen den eigenen EDI-Interface- und Kommunikationsstandard festgelegt. Nach den MIGs – der Integrations-Bibel für Lieferanten – müssen sich in der RollOut Phase die Lieferanten richten, wenn sie Daten per EDI an das Unternehmen senden oder empfangen.
Die im Zuge der EDI Lieferantenanbindung zukünftig genutzten eingehenden und ausgehenden Interfaces müssen mit Hilfe von Mappingprogrammierungstools umgesetzt werden.
Für jedes beim Unternehmen eingehende Standard-Interface (Bestellbestätigungen, Lieferavise, Rechnungen, Preiskataloge, …) wird ein Mapping programmiert, welches Daten aus dem Standard-Datenaustauschformat (z.B. EDIFACT ORDRSP) in das interne - für das eigene ERP lesbare – Format (z.B. SAP IDoc) überführt bzw. konvertiert. Für jedes ausgehende Standard-Interface (Bestellungen, Warenempfangsbestätigungen, Zahlungsavise, …) wird analog ein Mapping programmiert, welches das interne ERP-Format (z.B. SAP IDoc) in das Datenaustauschformat (z.B. EDIFACT ORDERS) konvertiert.
Für alle ein- und ausgehenden Interfaces wird ein Standard-Template für den Verarbeitungsprozess und Integration von Lieferanten erstellt. Die gewählten Kommunikationsprotokolle werden eingerichtet und für die Anbindung der EDI Partner vorbereitet.
Mit diesen Programmierungstätigkeiten ist die Basis für eine Integration per EDI geschaffen.
Wenn sehr viele Lieferanten per EDI aufgeschaltet werden sollen, ist es zusätzlich sinnvoll, ein „Lieferanten-Onboarding-Portal“ zu etablieren. Meistens ist es sinnvoll, professionelle Provider dafür zu beauftragen, die derartige Portale kennen und aufsetzen können. Über eine solche zentrale Plattform wird der gesamte RollOut Prozess portalgestützt gemanagt. So kann der Fortschritt der Lieferantenanbindung transparent nachvollzogen werden. Lieferanten haben Zugriff auf die veröffentlichten MIGs und sie können ihre EDI-Daten im self-service Modus auf die Einhaltung der zuvor definierten EDI Standards testen. Dafür werden für jedes Interface Compliance-Regeln und -Funktionen (Prüfmechanismen) hinterlegt, die die EDI Daten automatisch testen und verifizieren bzw. Prüfberichte generieren.
In der RollOut-Phase verlassen die erarbeiteten Informationen, Dokumentationen, MIGs, Anforderungen und Planungen zum ersten Mal das Unternehmen. Nun wird im operativen Umfeld mit Business-Partnern gearbeitet und das Team und der Kreis der Ansprechpartner, die involviert sind, vergrößern sich wesentlich.
Neben allen inzwischen gegebenen guten technischen und prozessualen Voraussetzungen, geht es für eine erfolgreiche digitale Anbindung von Lieferanten wesentlich um die Bereitschaft der Lieferanten, die Digitalisierung mit gleicher Energie und Passion voranzubringen. Alle guten Dokumentationen, Integrations-Hilfestellungen, Onboarding-Portale, MIGs und RollOut Pläne verfehlen ihren Zweck, wenn die Ergebnisse – in Form von erfolgreichen digitalen Anbindungen von Lieferanten – ausbleiben.
Größere Lieferanten anzusprechen und anzubinden geht dabei meist einfach und schnell. Sie kennen sich aus, sind meist flexibel und können EDI Anforderungen in der Regel innerhalb kürzester Zeit professionell umsetzen.
Mittlere und kleinere Lieferanten anzusprechen und anzubinden stellt sich hingegen schwieriger dar. Für sie ist eine EDI Anbindung oftmals eine Herausforderung in Bezug auf Kosten, Know-How, und Ressourcen. Sie verwenden z.B. oft eine veraltete EDI Infrastruktur, in der nun moderne Integrationsanforderungen umgesetzt werden sollen. Intern ist wenig notwendiges Wissen und technisches Know-How vorhanden. Externe Dienstleister müssen organisiert und hinzugezogen werden. Das erste Resultat daraus ist, dass zunächst keine oder nur verzögerte Rückmeldungen der Lieferanten auf die Aufforderung zur elektronischen Anbindung erfolgen. Der RollOut Prozess wird dadurch verzögert. Wenn es dann zu einer technischen Anbindung kommt, werden EDI-Daten oft unvollständig oder fehlerhaft produziert, was wiederum zu einer Verzögerung und zusätzlichem Aufwand auf Kundenseite führen wird. Gleiches erfahren Kunden im weiteren Verlauf der EDI Anbindung, wenn es z.B. darum geht, moderne und sichere Kommunikationskanäle für den Datenaustausch zu nutzen.
Auch wenn nach dem Paretoprinzip zum Beispiel mit 20% der per EDI angebundenen (großen) Lieferanten bereits 80% des Rechnungseingangsvolumens digitalisiert werden könnte: ein Unternehmen, welches ein Lieferantenrollout plant, sollte sich bewusst darüber sein, dass eine hervorragende Technik (MIGs, Mappings, EDI-Software, Onboarding-Portal) nur einen Teil zu einer erfolgreichen EDI-Lieferantenanbindung beiträgt. Der andere Teil besteht darin, sich in die Situation des (kleineren) Lieferanten hinzuversetzen und weitere Lösungsoptionen anzubieten, die den Herausforderungen der Lieferanten begegnet.
Die RollOut-Phase, einhergehend mit der Aufnahme der Kommunikation mit den Menschen hinter den Prozessen, ist entscheidend für die Ergebnisse, die sich ein Unternehmen im Zuge der Digitalisierung der Einkaufsprozesse wünscht.
Für das Unternehmen, welches die Lieferantenanbindung per EDI umsetzen will, ist es essenziell in dieser Phase geeignete Experten (EDI Consultants) einzusetzen, die gleichzeitig effektiv und effizient kommunizieren können. Neben den ausgezeichneten Kommunikationsfähigkeiten sowie Durchsetzungskraft- und -wille, dürfen auch technische Kenntnisse keinesfalls fehlen. Beispielsweise sollte man durchaus wissen, dass man für die Einrichtung eines Kommunikationskanals über EDIINT AS2 Verschlüsselungszertifikate benötigt und Firewall-Regeln einrichten muss.
Effektivität und Effizienz in der RollOut-Phase wird dadurch erreicht, dass sie von Menschen angeleitet wird, die sich durch Kommunikationsstärke und technische Fähigkeiten in gleicher Weise auszeichnen.
Die Praxis zeigt: in seltenen Fällen wurden in der Testphase tatsächlich alle prozessualen Ausprägungen getestet. Der Testaufwand wird in der Regel angemessen gestaltet. Es wird so viel wie nötig und gleichzeitig so wenig wie möglich getestet. Konsequenterweise kann es also vorkommen, dass bestimmte Belegausprägungen in den Interfaces nach einem go-live nicht oder noch fehlerhaft dargestellt werden.
In leider noch viel zu wenigen Fällen werden für den Test tatsächlich Testsysteme genutzt. Echte Test-Belege werden erzeugt und Test-Verbindungen (z.B. EDIINT AS2 mit Test-System IP-Adresse und Test-Zertifikat und Test-AS2-ID, …) verwendet. Die produktiven Umgebungen wurde in diesem Zusammenhang logischerweise außen vor gelassen.
In der Phase nach der Produktivsetzung ist es also wichtig, die neu etablierten EDI Lieferanten-Prozesse für eine gewisse Zeit zu überwachen. So werden mögliche Fehler in Interfaces oder Kommunikationskanälen schnell erkannt und im produktiven Betrieb behoben. Nach Beendigung dieser sogenannten Hypercare-Phase nach der Produktivsetzung ist ein Lieferant erfolgreich per EDI angebunden und die purchase-to-pay-Prozesse erfolgreich digitalisiert.
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